Schloss Gripsholm by Kurt Tucholsky

Schloss Gripsholm by Kurt Tucholsky

Autor:Kurt Tucholsky
Die sprache: de
Format: mobi, epub
Herausgeber: buecher de
veröffentlicht: 2009-10-07T13:18:01+00:00


2

»Das laßt man Frau Direktor sehn!« sagte das Stubenmädchen Emma. »Die ist heute grade in der richtigen Laune!«

Das Gelächter der vier kleinen Mädchen verstummte jäh. Eine bückte sich scheu nach den Büchern, mit denen sie sich eben geworfen hatten. Hanne, die dicke Hanne aus Ostpreußen, setzte zu einer Frage an. »Was ist denn? Ist Frau Direktor...?« -- »Na, macht nur!« sagte das Mädchen und lachte schadenfroh. »Ihr werdt ja sehn!« Und ging eilig davon. Die vier standen noch einen Augenblick zusammen, dann verteilten sie sich rasch im Korridor. Hanne war die letzte. Sie hatte grade die Tür des Schlafzimmers aufgemacht, in dem die andern schon standen und ihre Badesachen zusammensuchten, als man die schrille Stimme der Frau Adriani aus dem untern Stockwerk vernahm -- wie laut mußte sie sprechen, daß man das so deutlich hören konnte! Die Mädchen standen wie die Wachspuppen.

»So? Ach! Das hast du nicht gewußt! Das hat das gute Lieschen nicht gewußt! Habe ich dir nicht schon tausendmal gesagt, daß man seinen Schrank nicht offenstehn läßt? Was? Wie?« -- Man hörte, wie aus einer Watteschachtel, ein ganz leises Weinen. Oben sahen sie sich an und atmeten, sie schauerten vor Angst zusammen. »Du bist eine Schlumpe!« sagte die ferne Stimme. »Eine dreckige Schlumpe! Was? Der Schrank ist allein aufgegangen? Na, da hört doch... Und -- was ist denn das hier? Wie? Seit wann bewahrst du dir denn Essen in der Wäsche auf? Wie? Du Teufelsbraten! Ich werde dir --«

Nun wurde das Weinen lauter, so laut, daß man es deutlich hören konnte. Schläge konnten sie nicht hören --: Frau Adriani pflegte nicht zu schlagen, sie knuffte. »Hier -- und da -- und jetzt... Ich werde euch überhaupt mal alle...« Fortissimo: »Alle runterkommen! In den Eßsaal!«

In die Wachspuppen oben kam Leben; sie warfen ihre Badesachen auf die Betten, sie hatten plötzlich hochrote Köpfe, und einer, der ewig blassen Gerti, standen Tränen in den Augen. Man hörte, rasch hervorgestoßen: »Macht doch! Fix!«, dann gingen sie hinunter, sie liefen fast, schweigend.

Aus allen Türen kamen die Mädchen; sie hatten erschrockene Gesichter, eine fragte leise: »Was ist denn...« und wurde gleich zur Ruhe verwiesen; wenn es gewittert, soll man lieber nicht sprechen. Auf den Treppen trappelte es, Schritte, Poltern, Türenklappen... nun war der Eßsaal voll. Als letzte kam Frau Adriani, eine rote Wolke, mit der weinenden Lisa Wedigen an der Hand.

Das Gesicht der Frau war gerötet, ihr Lebensmotor lief auf Touren; sie lebte doppelt, wenn sie in solcher Erregung war. »Alle da --?« Sie sah über die Mädchen hin, mit jenem Blick, von dem jede glaubte, er hätte sie, grade sie gemeint. Hart: »Lisa Wedigen hat Essen gestohlen!« -- »Ich...«, was die Kleine sagen wollte, erstickte in Geschluchz. »Lisa Wedigen stiehlt. Sie hat von unserm Essen gestohlen«, sagte Frau Adriani mit Nachdruck, »gestohlen, und sie hat es in ihrem Schrank versteckt. Der Schrank war natürlich in einer scheußlichen Unordnung, wie immer bei Dieben; die Wäsche vom Essen beschmutzt, die Schranktür war offen. Wer nicht hören will, muß fühlen. Ihr wißt, wie ich es euch gleich am Anfang gesagt habe: wenn hier eine was falsch macht, dann büßen alle.



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